Tätigkeitsbereich: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

Zahlen & Fakten

1. Rund 40 % aller Arbeitsplatzkonflikte entstehen wegen unklaren Tätigkeitsbereichen [1]
2. In über 60 % der Pflegeinstitutionen** werden Tätigkeitsbereiche jährlich aktualisiert [2]
3. 30 % der Behandlungsfehler stehen im Zusammenhang mit Kompetenzüberschreitungen [3]
4. Klare Tätigkeitsbeschreibungen reduzieren Administrationsaufwand um bis zu 20 % [4]
5. Über 70 % der Gesundheitsberufe arbeiten interprofessionell [5]
6. Tätigkeitsbereiche umfassen im Schnitt 10–25 Aufgabenpunkte [6]
7. In 25 % der Versicherungsfälle** spielt der Tätigkeitsbereich eine Rolle bei der Haftungsfrage [7]

Warum Tätigkeitsbereiche definiert werden und wie sie entstehen

Tätigkeitsbereiche dienen als Orientierung und Regelwerk für Fachpersonen. Sie entstehen durch rechtliche Vorgaben, interne Richtlinien oder vertragliche Abmachungen. Besonders im Gesundheitswesen sind Tätigkeitsbereiche entscheidend, da verschiedene Berufsgruppen – Ärztinnen, Pflegefachpersonen, Therapeuten, Sozialarbeitende – eng zusammenarbeiten.

Ein Tätigkeitsbereich wird typischerweise anhand folgender Kriterien festgelegt:

• Ausbildungsniveau
• gesetzliche Kompetenzen
• institutionelle Anforderungen
• Qualitätssicherungsrichtlinien
• Verantwortungs- und Haftungsfragen

Beispiel: Eine diplomierte Pflegefachperson HF darf im Rahmen ihres Tätigkeitsbereichs Medikamente verabreichen, Wundbehandlungen durchführen und Vitalparameter interpretieren, jedoch keine Diagnosen erstellen – dies bleibt Ärztinnen vorbehalten.

Je klarer der Tätigkeitsbereich definiert ist, desto effizienter können Prozesse ablaufen, und desto geringer ist das Risiko medizinischer Fehler.

Praxisbeispiele aus dem Alltag

Beispiel 1: Tätigkeitsbereich in der Spitex

Eine Spitex-Mitarbeiterin im Bereich Hauspflege hat laut Tätigkeitsbeschreibung folgende Kernaufgaben: Grundpflege, Unterstützung im Haushalt, Begleitung zu Arztterminen. Die Verabreichung von Medikamenten fällt jedoch nur Pflegefachpersonen HF/FH zu.

Kostenbeispiel:
Wird die Grundpflege durch eine Fachangestellte Gesundheit (FaGe) durchgeführt, beträgt der Tarif gemäss KVG-Tarifposition in der Regel ca. CHF 52 pro Stunde. Würde dieselbe Leistung durch eine diplomierte Pflegefachperson erfolgen, läge der Tarif bei rund CHF 76 pro Stunde.

Durch klare Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs werden Fähigkeiten sinnvoll eingesetzt und Kosten korrekt verrechnet. Dieses Beispiel zeigt, wie Tätigkeitsbereiche Effizienz und Kostentransparenz beeinflussen.

Beispiel 2: Tätigkeitsbereich eines Vertrauensarztes

Ein Vertrauensarzt einer Krankenkasse beurteilt medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Behandlung, führt jedoch keine Behandlung durch.

Kostenszenario:
Gutachtenkosten: CHF 250
Empfohlene Therapiealternative spart CHF 1’200 jährlich
Ergibt eine Nettoeinsparung von CHF 950 pro Jahr.

Diese klare Rollenverteilung verhindert Interessenkonflikte. Der behandelnde Arzt therapiert, der Vertrauensarzt überprüft – beides innerhalb klar definierter Tätigkeitsbereiche. Das Beispiel zeigt, wie Tätigkeitsgrenzen die Qualität und Finanzierung im Gesundheitswesen strukturieren.

Tätigkeitsbereich und Versicherungswesen

Im Versicherungsbereich spielt der Tätigkeitsbereich eine grosse Rolle, etwa bei:

• Haftungsfragen
• Leistungsprüfung
• Arbeitsunfähigkeitsbeurteilungen
• Unfallversicherungsabklärungen

Wenn ein Schadensfall eintritt, analysiert die Versicherung, ob eine Person ihren Tätigkeitsbereich korrekt eingehalten hat.

Beispiel:
Eine FaGe führt eine invasive Massnahme aus, die nicht ihrem Tätigkeitsbereich entspricht → mögliche Leistungskürzung oder Haftungsübertragung.

Auch bei der Berechnung von Taggeld nach Unfallversicherungsgesetz (UVG) oder Invaliditätsleistungen der IV (Invalidenversicherung) spielt der Tätigkeitsbereich eine Rolle: Die IV beurteilt, welche Tätigkeiten der betroffenen Person medizinisch noch zumutbar sind.

Die Berechnung der Invalidität basiert auf Erwerbsvergleich:
Einkommen ohne Einschränkung: CHF 60’000
Einkommen nach Einschränkung (neuer Tätigkeitsbereich, z. B. Büroarbeit): CHF 36’000
Invaliditätsgrad: (60’000 – 36’000) ÷ 60’000 = 40 %

Bedeutung des Tätigkeitsbereichs für Qualität und Sicherheit

Ein klar geregelter Tätigkeitsbereich verbessert:

• Patientensicherheit
• Arbeitsorganisation
• Verantwortungszuweisung
• Qualität der Dokumentation
• Einhaltung gesetzlicher Vorgaben

Missverständnisse über Befugnisse gehören zu den häufigsten Ursachen für Fehler im Gesundheitswesen. Ein sauber definierter Tätigkeitsbereich reduziert diese Risiken und schafft einen stabilen Rahmen für interprofessionelle Zusammenarbeit.

Besonders in Notfallsituationen entscheidet ein klarer Tätigkeitsbereich darüber, wer welche Massnahmen einleiten darf.

Tätigkeitsbereich in Arbeitsverträgen und Pflichtenheften

Jede Arbeitsstelle umfasst ein Pflichtenheft, das als Grundlage für die Definition des Tätigkeitsbereichs dient. Darin geregelt sind:

• Aufgaben
• Kompetenzen
• Verantwortung
• Arbeitsziele
• Delegationsrechte

Beispiel Berechnung Arbeitsvolumen:
Wenn ein Tätigkeitsbereich 30 % administrative Aufgaben, 50 % Kundenkontakt und 20 % Facharbeit umfasst, muss das Pensum entsprechend strukturiert sein, um Überlastung und Ressourcenverschwendung zu vermeiden.

Ohne klare Zuweisung kommt es häufig zu Überforderung oder Kompetenzkonflikten.

Tätigkeitsbereich und interprofessionelle Zusammenarbeit

Moderne Gesundheitsversorgung erfolgt interprofessionell. Klare Tätigkeitsbereiche erleichtern:

• Übergaben
• Koordination zwischen Ärzten, Pflege, Physio, Sozialdiensten
• Case Management
• Effiziente Ressourcennutzung

Beispiel:
Ein Case Manager koordiniert Therapien, darf jedoch keine Behandlungen durchführen. Eine Physiotherapeutin darf Therapien leiten, jedoch keine Medikamente anpassen.

Diese Abgrenzungen verhindern Doppelarbeiten und erhöhen die Behandlungsqualität.

Typische Fehler beim Umgang mit Tätigkeitsbereichen

Oft entstehen Probleme durch:

• unklare oder veraltete Pflichtenhefte
• Übernahme von Aufgaben ausserhalb der eigenen Kompetenz
• fehlende Kommunikation im Team
• mangelnde Delegationsregeln
• fehlende Weiterbildungen zur Rollenklärung

Wichtig ist, Tätigkeitsbereiche jährlich zu prüfen und den Entwicklungen im Gesundheitswesen – z. B. Digitalisierung, neue Berufsrollen – anzupassen.

Fazit

Der Tätigkeitsbereich ist ein zentrales Element der Organisation im Gesundheits- und Sozialwesen. Er schafft Klarheit, definiert Verantwortlichkeiten und sichert die Qualität der Versorgung. Klare Zuständigkeiten verhindern Fehler, erleichtern Abläufe und stärken die Zusammenarbeit zwischen Berufsgruppen. Wer seinen Tätigkeitsbereich kennt und aktiv kommuniziert, trägt wesentlich zu Sicherheit, Effizienz und guter Patientenversorgung bei.

Quellenverzeichnis