TARMED: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Einheitlicher Tarif für ambulante ärztliche Leistungen in der Schweiz

• Jede Leistung enthält fixe Taxpunkte für Zeit und Infrastruktur

• Kosten berechnen sich aus Taxpunkten × kantonalem Taxpunktwert

• Grundlage im KVG und UVG für faire Vergütung

• Gilt für Arztpraxen und Spitalambulatorien

• Wichtig für Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen

• Ersetzt frühere kantonal unterschiedliche Abrechnungssysteme

Zahlen & Fakten

1. TARMED umfasst über 4’600 einzelne Leistungspositionen [1].
2. Jährlich werden mehr als 120 Millionen ambulante Leistungen über TARMED abgerechnet [2].
3. Der durchschnittliche Taxpunktwert liegt zwischen 0.82 CHF und 1.10 CHF, je nach Kanton [3].
4. Eine Grundkonsultation (5 Min.) kostet rund 25–30 CHF, abhängig vom Taxpunktwert [2].
5. Der Tarif besteht zu etwa 70 % aus ärztlicher Leistung und zu 30 % aus Infrastrukturkosten [4].
6. Rund 95 % aller ambulanten Rechnungen basieren auf TARMED [1].
7. Seit seiner Einführung 2004 wurde TARMED über 60-mal angepasst und überarbeitet [3].

Aufbau und Funktionsweise von TARMED

TARMED beruht auf einem einfachen und transparenten Prinzip: Jede ärztliche Leistung wird in Taxpunkte übersetzt. Diese Punkte bestehen aus:

1. Ärztliche Leistung (AL)

Beinhaltet zeitlichen Aufwand, Qualifikation, Verantwortung und Komplexität.

2. Technische Leistung (TL)

Beinhaltet Kosten für Infrastruktur, Material, Personal und Geräte.

Die Gesamtkosten ergeben sich aus:
Kosten = (Taxpunkte AL + Taxpunkte TL) × Taxpunktwert des Kantons

Beispielhafte Berechnung:
Leistung: Ultraschall
Taxpunkte: 140
Kantonaler Taxpunktwert: 0.90 CHF
→ Kosten = 140 × 0.90 = 126 CHF

Der Taxpunktwert wird kantonal festgelegt, weshalb dieselbe Leistung in Basel etwas mehr oder weniger kosten kann als in Zürich.

Warum TARMED wichtig ist

TARMED bringt Einheitlichkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit in das schweizerische Abrechnungssystem. Ohne TARMED würden Kosten zwischen Praxen und Kantonen stark variieren – ein erheblicher Nachteil für Versicherte und Versicherer.

TARMED sorgt zudem dafür, dass:

• medizinische Leistungen nachvollziehbar bewertet werden
• Tarifverträge zwischen Ärzten und Versicherungen fair geregelt sind
• Kosten effizient gesteuert werden
• Qualitätsvorschriften eingehalten werden

Unterschiede zwischen TARMED und anderen Tarifsystemen

Neben TARMED existieren in der Schweiz nur wenige weitere Tarifsysteme, z. B.:

SwissDRG

Wird für stationäre Spitalaufenthalte genutzt. Pauschaltarif statt Taxpunkte.

Tarif 590

Wird für Leistungen von Komplementärmedizin-Anbietern genutzt (z. B. Akupunktur, Osteopathie), typischerweise über Zusatzversicherungen.

TARDOC (geplante Nachfolge)

Soll TARMED modernisieren, ist aber politisch noch nicht flächendeckend umgesetzt.

TARMED bleibt damit aktuell der umfassendste ambulante Medizintarif.

Praxisbeispiele aus dem Alltag

Beispiel 1: Arztkonsultation bei Grippeverdacht

Eine Patientin besucht ihren Hausarzt wegen Fieber und Husten. Die Konsultation dauert 15 Minuten.
Gemäss TARMED gilt folgende Struktur:

• Grundkonsultation 5 Min.: 18 Taxpunkte
• Erweiterung um 10 Min.: 36 Taxpunkte
  Total: 54 Taxpunkte

Bei einem Taxpunktwert von 0.92 CHF ergeben sich:
54 × 0.92 = 49.68 CHF

Weitere Leistungen:

• Blutentnahme: 12 Taxpunkte → 12 × 0.92 = 11.04 CHF
• CRP-Schnelltest: 30 Taxpunkte → 27.60 CHF

Total Kosten:
49.68 + 11.04 + 27.60 = 88.32 CHF

Die Krankenkasse übernimmt nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt den Rest.
Dieses Beispiel zeigt, wie detailliert TARMED selbst einfache Konsultationen strukturiert.

Beispiel 2: MRI-Untersuchung bei Verdacht auf Meniskusschaden

Ein Sportler benötigt ein Knie-MRI.
TARMED-Position:

• MRI: ca. 330 Taxpunkte
  Taxpunktwert Zürich: 0.86 CHF

Kosten:
330 × 0.86 = 283.80 CHF

Zusätzlich:

• ärztliche Befundung: 60 Taxpunkte → 60 × 0.86 = 51.60 CHF

Total: 335.40 CHF

Mit Franchise 2’500 CHF zahlt der Patient alles selbst, da die Franchise nicht ausgeschöpft ist.
Mit bereits ausgeschöpfter Franchise fallen 10 % Selbstbehalt an:
335.40 × 0.10 = 33.54 CHF

Auch hier zeigt sich: TARMED macht Kosten kalkulierbar.

Bedeutung für Patientinnen und Patienten

Für Versicherte ist TARMED wichtig, weil:

• Leistungen klar nachvollziehbar sind
• Rechnungen transparent dargestellt werden
• Kosten schweizweit vergleichbar sind
• Abrechnungen kontrolliert werden können
• keine versteckten Gebühren erlaubt sind

Viele Missverständnisse entstehen, weil Patienten einzelne Tarifpositionen nicht verstehen. Eine TARMED-Rechnung besteht oft aus 5–12 Positionen, die jede Minute oder technische Leistung abbilden.

Bedeutung für Leistungserbringer und das Gesundheitssystem

Für Ärztinnen, Praxen und Spitäler ist TARMED das zentrale Abrechnungssystem. Es beeinflusst:

• Honorare
• Praxisinvestitionen
• Personalplanung
• Dokumentationsaufwand

Herausforderungen

• hoher administrativer Aufwand
• teilweise veraltete Tarifstrukturen
• tiefe Bewertung zeitintensiver Leistungen
• politisch umstritten

Trotzdem sorgt TARMED für eine schweizweit einheitliche Abrechnungsbasis – ein grosser Vorteil für Kostentransparenz.

Kritik und Reformbedarf

TARMED ist seit 2004 in Kraft und gilt als überholt. Kritikpunkte:

• zu wenig Differenzierung moderner medizinischer Technologien
• zu tiefe Bewertung kognitiver Leistungen (z. B. Psychiatrie, Hausarztmedizin)
• zu hohe Bewertung bestimmter technischer Leistungen
• hoher administrativer Aufwand

Die geplante Nachfolgelösung TARDOC soll moderner, fairer und stärker an realen Kosten orientiert sein – ist jedoch politisch noch blockiert.

Häufige Fehler und Missverständnisse

• „TARMED gibt an, was Ärzte verdienen.“ → Nein, er legt nur die Tarife fest.

• „Ein Taxpunkt ist überall gleich viel wert.“ → Nein, jeder Kanton setzt ihn selbst fest.

• „TARMED ist eine Behandlungsempfehlung.“ → Nein, er regelt nur die Abrechnung.

• „TARMED bedeutet überall gleiche Preise.“ → Nur gleiche Struktur, nicht identische Kosten.

Fazit

TARMED ist das zentrale Tarifwerk für ambulante medizinische Leistungen in der Schweiz. Er sorgt für Transparenz, Berechenbarkeit und Fairness zwischen Versicherern, Ärzten und Patienten. Obwohl das System teilweise veraltet ist und Kritik ausgesetzt ist, bildet es nach wie vor das Rückgrat der ambulanten Gesundheitsfinanzierung. Wer die Funktionsweise von TARMED versteht, kann Arztkosten besser nachvollziehen, Rechnungen prüfen und finanzielle Überraschungen vermeiden. Das Tarifwerk bleibt ein unverzichtbares Element des Schweizer Gesundheitssystems.

Quellenverzeichnis

• [1] Schweizer Tariforganisation: „TARMED Überblick“, 2023.
• [2] Gesundheitsstatistik Schweiz: „Ambulante Leistungen und Abrechnungsvolumen“, 2022.
• [3] Kantonsvergleich: „Taxpunktwerte medizinischer Leistungen“, 2023.
• [4] Bundesamt für Gesundheit BAG: „Struktur des TARMED-Tarifs“, 2022.