Pflege zu Hause: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Pflege in der eigenen Wohnung durch Fachpersonen

• Kombination aus Pflege, Betreuung und Alltagsunterstützung

• KVG übernimmt nur medizinische Leistungen

• Pflegekosten variieren je nach Bedarf und Region

• Familien leisten oft umfangreiche Zusatzbetreuung

• Spitex ist wichtigster Anbieter in der Schweiz

• Ergänzungsleistungen können finanzielle Lücken schliessen

Zahlen & Fakten

1. Über 420’000 Personen in der Schweiz erhalten Spitex-Leistungen [1]
2. Durchschnittliche Kosten: CHF 46–120 pro Stunde, je nach Leistung [2]
3. KVG-Beiträge an Pflege: CHF 9–108 pro Tag, abhängig vom Pflegebedarf [3]
4. Rund 70 % der Pflege zu Hause wird zusätzlich durch Angehörige erbracht [4]
5. 40 % der über 80-Jährigen benötigen regelmässige Pflege [5]
6. Ergänzungsleistungen unterstützen in 45 % der Fälle, wenn Einkommen nicht ausreicht [6]
7. Gesamtpflegekosten zu Hause übersteigen jährlich CHF 9 Mrd. [7]

Wie funktioniert Pflege zu Hause und wie werden Kosten berechnet?

Pflege zu Hause wird durch die Spitex, private Anbieter oder Angehörige erbracht. Die Kosten setzen sich zusammen aus:

• medizinischer Pflege (über KVG abrechenbar)
• Betreuung & Haushaltshilfe (selbst zu bezahlen)
• Wegpauschalen und Administrationskosten
• Zuschüssen der Gemeinde oder Ergänzungsleistungen

Beispiel Kostenaufstellung pro Monat (mittlerer Pflegebedarf):

• 12 Stunden Pflege/Monat × CHF 76 = 912
• 8 Stunden Betreuung × CHF 46 = 368
• Total Grundkosten = CHF 1’280

KVG-Pflegebeitrag z. B. CHF 36/Tag → 30 × 36 = CHF 1’080 (geht an Spitex, nicht an Patient)
Patientenbeitrag gemäss Gesetz: max. CHF 15.35/Tag → 30 × 15.35 = CHF 460.50
Effektive Eigenkosten: CHF 368 + 460.50 = CHF 828.50

Angehörige reduzieren Kosten erheblich:
Wenn 50 % der Betreuung durch Angehörige erfolgt, sinkt der Monatsbetrag um ca. CHF 350–400.

Praxisbeispiele aus dem Alltag

Beispiel 1: Pflege einer Seniorin mit beginnender Demenz

Eine 82-jährige Frau lebt allein und benötigt Unterstützung beim Waschen, Medikamentenmanagement und Haushalt.
Leistungen pro Monat:

• Körperpflege: 6 Stunden × CHF 76 = 456
• Medikamentenkontrolle: 4 Besuche → CHF 200
• Haushaltshilfe: 6 Stunden × CHF 46 = 276
• Total = CHF 932

KVG deckt anteilig Pflegeleistungen:
Beitrag Stufe 3: CHF 36/Tag → 36 × 30 = 1’080
Patientenzahlung: CHF 15.35 × 30 = 460.50

Eigenkosten:
932 – (1’080 – 460.50) = CHF 312.50
Da sie eine kleine AHV-Rente erhält, decken Ergänzungsleistungen (EL) die Eigenkosten vollständig.
Dieses Beispiel zeigt die Bedeutung der EL für Seniorinnen mit kleinem Einkommen.

Beispiel 2: Betreuung eines schwer erkrankten Mannes mit IV-Anspruch

Ein 58-jähriger Mann mit Muskelerkrankung benötigt täglich Pflege und regelmässige ärztliche Kontrollen.
Pflegekosten pro Monat:

• Grundpflege: 20 Stunden × CHF 76 = 1’520
• Behandlungspflege: 12 Stunden × CHF 92 = 1’104
• Betreuung: 10 Stunden × CHF 46 = 460

Total: CHF 3’084

KVG-Beiträge Stufe 7: CHF 80/Tag → 2’400/Monat
Eigenanteil Pflegegesetz: 15.35 × 30 = 460.50
Eigenkosten für Betreuung: CHF 460
Gesamte Eigenkosten = 460.50 + 460 = CHF 920.50

Da er teilweise erwerbsunfähig ist, erhält er eine IV-Rente, aber diese deckt nicht alle Kosten. Ergänzungsleistungen übernehmen die Differenz, sofern seine anerkannten Ausgaben höher sind als sein Einkommen.
Dieses Beispiel illustriert die komplexe Kombination aus Pflege, IV (Invalidenversicherung) und EL.

Welche Pflegeleistungen übernimmt die Grundversicherung (KVG)?

Die KVG übernimmt nur medizinische Pflege, die durch diplomiertes Pflegepersonal erbracht wird. Dazu gehören:

• Wundpflege
• Medikamentengabe
• Vitalzeichenkontrolle
• Katheterpflege
• Psychiatrische Pflege

Nicht gedeckt:

• Haushaltshilfe
• Alltagsbetreuung
• Einkaufen
• Spaziergänge
• Kochen

Diese Leistungen müssen privat bezahlt oder durch Zusatzversicherungen/Angehörige abgedeckt werden.

Bedeutung der Pflege zu Hause für das Schweizer Gesundheitssystem

Pflege zu Hause ist ein entscheidender Bestandteil der Gesundheitsversorgung, da sie:

• Spitäler und Pflegeheime entlastet
• Menschen länger in ihrer gewohnten Umgebung leben lässt
• Kosten stabilisiert (Pflege zu Hause ist günstiger als Heimeintritte)
• Angehörige in die Versorgung integriert

Beispiel Kosteneffizienz:

• Pflegeheimmonat: CHF 8’000–10’500
• Pflege zu Hause: ca. CHF 1’500–4’000

Pflege zu Hause spart dem Staat und den Versicherungen erhebliche Summen, fördert Lebensqualität und entlastet AHV/IV langfristig.

Rolle der Sozialversicherungen (AHV, IV, EO)

• AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung):

Finanziert Renten, aus denen Pflegekosten teilweise getragen werden.

• IV (Invalidenversicherung):

Leistet Beiträge für Menschen unter 65, wenn Pflegebedarf aufgrund von Invalidität entsteht.
Beispiel IV-Beitrag:
Wenn Pflegekosten CHF 3’000 und eigener Beitrag 1’000, übernimmt IV je nach Situation bis zu CHF 2’000.

• EO (Erwerbsersatzordnung):

Indirekt relevant bei Betreuungspflichten Angehöriger während Militär- oder Mutterschaftsabsenzen.

Zusätzliche Herausforderungen bei Pflege zu Hause

Pflege zu Hause ist anspruchsvoll:

• Personalmangel
• Finanzierungslücken
• hohe Belastung der Angehörigen
• schwierige Koordination zwischen Ärzten, Spitex und Familie
• emotionale Überforderung

Viele Angehörige leisten Pflege im Umfang von 20 Stunden pro Woche – ökonomisch wertvoll, aber psychisch belastend.

Digitalisierung und moderne Hilfsmittel in der Pflege zu Hause

Digitale Innovationen erleichtern Pflege:

• Telemedizin
• elektronische Medikamentenpläne
• Sturzsensoren
• GPS-Tracker für Demenzpatienten
• digitale Spitex-Einsatzplanung

Beispiel:
Ein Sturzsensor alarmiert die Spitex bei Sturz → Reaktionszeit 3 Minuten statt 30 → reduziert Spitalaufenthalte.
Technologie senkt Kosten langfristig und erhöht Sicherheit.

Zusätzlicher Abschnitt: Wie kalkuliert man den individuellen Pflegebedarf?

1. Medizinische Pflegebedürftigkeit bestimmen (Arzt & Spitex-Abklärung)
2. Zeitaufwand pro Woche schätzen
3. Kosten pro Stunde multiplizieren
4. KVG-Beiträge und EL berücksichtigen

Beispiel:

• 10 Stunden Pflege × CHF 80 = 800
• KVG deckt: CHF 500
• Eigenanteil: 15.35 × 30 = 460.50
• EL übernehmen bei geringer AHV-Rente den Rest

Somit kann Pflege zu Hause trotz hoher Bedarfssituation leistbar bleiben.

Fazit

Pflege zu Hause ermöglicht Menschen ein selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung und ist ein zentraler Pfeiler des Schweizer Versorgungssystems. Sie kombiniert professionelle Pflege, familiäre Unterstützung und sozialstaatliche Leistungen. Zwar ist die Finanzierung komplex, doch durch KVG-Beiträge, Ergänzungsleistungen und koordinierte Betreuung bleibt das Modell für viele Menschen tragfähig. Eine kluge Planung, frühzeitige Abklärung und gezielte Nutzung sozialer Ressourcen sind entscheidend für eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Pflege zu Hause.

Quellenverzeichnis

• [1] BAG, Jahresbericht Spitex 2023
• [2] Spitex Schweiz, Tarifübersicht 2022
• [3] KVG-Pflegeleistungsrichtlinien 2023
• [4] BFS Pflege- und Gesundheitsstatistik 2021
• [5] Demografiestudie Schweiz 2022
• [6] BSV, Ergänzungsleistungsbericht 2022
• [7] Gesundheitsökonomie Schweiz, Pflegekostenanalyse 2023