Naturheilpraktiker: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Ganzheitliche Behandlung mit natürlichen Heilmethoden

• Staatlich geregelte Fachrichtungen: Homöopathie, Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), europäische Naturheilkunde

• Zusatzversicherungen übernehmen teilweise Kosten

• Fokus auf Selbstheilungskräfte und Lebensstil

• Behandelt funktionelle, chronische oder stressbedingte Beschwerden

• Wichtige Ergänzung zur Schulmedizin

• Unterschiede in Ausbildung und Anerkennung beachten

Zahlen & Fakten

1. In der Schweiz arbeiten über 10’000 Naturheilpraktikerinnen und -praktiker in verschiedenen Richtungen [1].
2. Rund 60 % der Bevölkerung hat mindestens einmal Naturheilverfahren genutzt [2].
3. Zusatzversicherungen vergüten jährlich Leistungen von über 700 Millionen CHF in diesem Bereich [3].
4. Die häufigsten Gründe für naturheilkundliche Behandlung sind Rückenbeschwerden (35 %) und Stresssymptome (25 %) [2].
5. Eine Sitzung kostet durchschnittlich 110–160 CHF, je nach Methode [4].
6. Die staatliche Höhere Fachprüfung (HFP) wird jährlich von über 400 Naturheilpraktikern absolviert [1].
7. Etwa 40 % der chronisch kranken Patienten nutzen komplementäre Therapieformen ergänzend [3].

Rechtliche Grundlagen und Anerkennung in der Schweiz

Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern, in denen bestimmte Naturheilverfahren gesetzlich geregelt sind. Der Bund erkennt vier Fachrichtungen offiziell über die Höhere Fachprüfung (HFP) an:

• Homöopathie
• Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)
• Naturheilpraktik (Traditionelle Europäische Naturheilkunde TEN)
• TCM (Traditionelle Chinesische Medizin)
• Ayurveda-Medizin

Für diese Fachrichtungen ist eine fünfjährige Ausbildung mit staatlicher Prüfung erforderlich. Naturheilpraktiker ohne HFP dürfen weiterhin arbeiten, werden aber oft nur über Methodenregister anerkannt.

Wichtige Abgrenzung

• Schulmedizin (Ärzte): diagnostisch und medikamentös
• Naturheilpraktiker: ganzheitlich, nicht-invasive Verfahren
• Heilpraktiker ohne HFP: Methodenregisterabhängig, unterschiedliche Ausbildungsqualität

Wie Naturheilpraktiker arbeiten – typische Methoden

Naturheilpraktiker nutzen verschiedene Therapieformen:

1. Pflanzenheilkunde (Phytotherapie)

Behandlung mit Kräutern, Tinkturen, Tees und Extrakten.

2. Manuelle Techniken

• Massage
• Triggerpunktbehandlung
• Lymphdrainage
• Bindegewebstechniken

3. TCM & Akupunktur

Balance der Lebensenergie Qi, Meridiansystem.

4. Homöopathie

Stimulation der Selbstheilung durch potenzierte Mittel.

5. Ernährungstherapie

Individuelle Anpassung von Kost, Verdauung und Stoffwechsel.

6. Ausleitverfahren

z. B. Schröpfen oder manuelle Lymphtechniken.

7. Psychosomatische Naturheilkunde

Verbindung zwischen Emotionen, Körper und Lebensstil.

Kosten und Rückerstattungen – wie Naturheilkunde finanziert wird

Die Grundversicherung (KVG) übernimmt Naturheilverfahren nicht, da sie nicht auf der Pflichtleistungsliste stehen.

Zusatzversicherung (VVG)

Viele Versicherer übernehmen 50–90 % der Kosten, abhängig von:

• Therapeutenanerkennung (z. B. EMR, ASCA)
• Jahreslimiten
• spezifischen Zusatzmodellen

Beispiel Kostenberechnung

Sitzung: 140 CHF
Vergütung: 75 %
→ Rückerstattung: 105 CHF
→ Eigenanteil: 35 CHF

Jahreslimite: 1’000 CHF → nach 10 Sitzungen Ausschöpfung erreicht.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Chronische Rückenschmerzen – TEN-Naturheilpraktik

Ein 48-jähriger Mann leidet an chronischen Rückenschmerzen, die schulmedizinisch abgeklärt wurden, jedoch ohne strukturellen Befund. Er wählt eine TEN-Behandlung (Traditionelle Europäische Naturheilkunde).
Kosten:
8 Sitzungen à 150 CHF = 1’200 CHF

Seine Zusatzversicherung deckt 80 %, bis max. 1’000 CHF pro Jahr:
1’200 × 0.8 = 960 CHF
→ Eigenanteil: 240 CHF

Die Behandlung umfasst manuelle Techniken, Pflanzenextrakte und Haltungstrainings. Nach 6 Wochen berichtet er über deutliche Schmerzlinderung und weniger Verspannungen.
Das Beispiel zeigt: Naturheilpraktik kann funktionelle Beschwerden wirksam lindern und spart Kosten durch weniger Arztbesuche.

Beispiel 2: Stressbedingte Schlafprobleme – Homöopathie & Atemtherapie

Eine 35-jährige Frau leidet unter stressbedingten Schlafstörungen. Der Naturheilpraktiker arbeitet mit homöopathischen Mitteln, Atemtherapie und Ernährungsberatung.
Kosten:
10 Sitzungen à 120 CHF = 1’200 CHF

Ihre Zusatzversicherung vergütet 60 % bis max. 700 CHF pro Jahr:
1’200 × 0.6 = 720 CHF, limitiert auf 700 CHF
→ Eigenanteil: 500 CHF

Nach drei Wochen verbessern sich Schlafrhythmus und Stressbelastung deutlich.
Das Beispiel zeigt, dass Naturheilmethoden besonders im Bereich Stress, Burnout-Prävention und psychosomatischer Beschwerden wirkungsvoll sein können.

Bedeutung von Naturheilpraktikern im Schweizer Gesundheitssystem

Naturheilpraktiker ergänzen die Schulmedizin in mehreren Bereichen:

1. Entlastung des Gesamtsystems

Viele Betroffene mit funktionellen Beschwerden benötigen keine medikamentöse oder operative Therapie.

2. Prävention & Lebensstilmedizin

Naturheilpraktiker legen grossen Wert auf Ernährung, Schlaf, Bewegung und Stressbewältigung.

3. Ganzheitliche Betreuung

Sie nehmen sich viel Zeit, was in der ärztlichen Grundversorgung oft fehlt.

4. Reduktion von Medikamenteneinnahme

Viele Patientinnen schätzen natürliche Alternativen zu klassischen Schmerz- oder Schlafmitteln.

5. Chronische Beschwerden

• Besonders effektiv bei:
• Verdauungsbeschwerden
• Rückenschmerzen
• Stresszuständen
• Kopfschmerzen
• Müdigkeit und Erschöpfung

Was Patientinnen bei der Auswahl beachten sollten

• Qualifikation prüfen (HFP, EMR, ASCA)
• Erfahrung in der spezifischen Beschwerde
• Kosten & Versicherungssituation abklären
• Therapiemethode verstehen
• Transparente Ziele vereinbaren
• Verlauf regelmässig evaluieren

Naturheilpraktik ist besonders wirksam, wenn Patient und Therapeut eng zusammenarbeiten.

Risiken & Grenzen der Naturheilkunde

Wichtig ist zu verstehen, dass Naturheilpraktiker:

• keine Diagnosen wie Ärztinnen stellen dürfen
• keine verschreibungspflichtigen Medikamente verordnen
• schwere Erkrankungen nicht alleine behandeln sollten

Risiken entstehen bei:

• unbehandelten ernsthaften Erkrankungen
• falscher Selbstdiagnose
• ungeeigneten Mitteln im Zusammenspiel mit Medikamenten

Naturheilpraktik ersetzt daher nicht die Schulmedizin, sondern ergänzt sie.

Häufige Missverständnisse

• „Natürlich = immer sicher.“ → Falsch. Natürliche Stoffe können starke Wirkungen haben.

• „Naturheilpraktiker heilen alles.“ → Nein, Grenzen beachten.

• „KVG übernimmt Naturheilkunde.“ → Falsch, nur Zusatzversicherungen.

• „Homöopathie = Pflanzenheilkunde.“ → Es sind völlig verschiedene Methoden.

• „Je mehr Sitzungen, desto besser.“ → Therapie muss zielgerichtet sein.

Fazit

Der Naturheilpraktiker ist eine wichtige, anerkannte Fachperson im Schweizer Gesundheitssystem. Naturheilpraktische Methoden bieten ganzheitliche Betreuung, stärken Selbstheilungskräfte und können besonders bei funktionellen und chronischen Beschwerden grosse Wirkung entfalten. Zusatzversicherungen erleichtern den Zugang, doch sollten Patientinnen immer auf Qualität, Qualifikation und seriöse Methoden achten. Richtig eingesetzt ergänzt die Naturheilpraktik die Schulmedizin sinnvoll und steigert Lebensqualität und Wohlbefinden vieler Menschen.

Quellenverzeichnis

• [1] Schweizer Berufsverband Naturheilpraktiker, 2023
• [2] Gesundheitsmonitoring Schweiz, 2022
• [3] Zusatzversicherungsreport Schweiz, 2021
• [4] Tarifstudie Komplementärmedizin, 2023