Medikamentenliste: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Übersicht aller aktuell eingenommenen Medikamente

• Enthält Dosierung, Einnahmezeiten und ZweckWichtig für ärztliche Versorgung und Notfallsituationen

• Wichtig für ärztliche Versorgung und Notfallsituationen

• Reduziert Risiko gefährlicher Wechselwirkungen

• Erleichtert Kontrolle durch Apotheke oder Arzt

• Zentrale Funktion bei Polypharmazie und chronischen Krankheiten

• Hilft bei Versicherungsabrechnungen und Therapieoptimierung

Zahlen & Fakten

1. Über 2 Millionen Menschen in der Schweiz nehmen täglich mehrere Medikamente ein (Polypharmazie) [1].
2. Rund 20 % aller Spitaleinweisungen älterer Menschen sind medikamentenbedingt [2].
3. Eine korrekte Medikamentenliste reduziert Wechselwirkungsrisiken um 30–50 % [3].
4. Über 70 % der Hausärzte nutzen digitale Medikamentenlisten im Praxisalltag [4].
5. Etwa 40 % der Patient*innen führen zu Hause keine vollständige Liste [2].
6. Bis zu 25 % aller Notfallbehandlungen** werden durch unbekannte Medikamenteneinnahmen erschwert [5].
7. Medikamentenchecks in Apotheken verbessern die Therapiesicherheit um 30 % [4].

Warum eine Medikamentenliste so wichtig ist

Eine vollständige Medikamentenliste schützt Patientinnen und Patienten vor medizinischen Fehlern. Viele Menschen nehmen gleichzeitig:

• Blutdruckmittel
• Cholesterinsenker
• Schmerzmittel
• Schlafmittel
• Vitaminpräparate
• Psychopharmaka

Ohne Übersicht entstehen folgende Risiken:

• Wechselwirkungen (z. B. Blutverdünner + Schmerzmittel)
• Doppelverschreibungen
• falsche Dosierung
• Nebenwirkungen durch Kombinationsfehler
• gefährliche Notfallsituationen

Gerade ältere Menschen, die häufig unter Polypharmazie leiden, benötigen zwingend eine aktuelle Liste.

Was eine vollständige Medikamentenliste enthalten muss

Eine professionelle Medikamentenliste enthält folgende Angaben:

1. Grunddaten

• Name der Patientin/des Patienten
• Geburtsdatum
• AHV-Nummer (Versicherungsnummer)

2. Medikamentendaten

• Handelsname
• Wirkstoff (z. B. Metoprolol statt nur Beloc)
• Dosierung (mg, ml)
• Einnahmehäufigkeit
• Einnahmezeitpunkte
• Therapiegrund

3. Verschreibende Institution

• Hausärztin oder Spezialarzt
• Apotheke
• Spital oder Reha

4. Besonderheiten

• Allergien
• Unverträglichkeiten
• notwendige Laborüberwachungen

Nur mit vollständiger und regelmässig aktualisierter Liste ist eine sichere Therapie möglich.

Wie Medikamentenlisten entstehen – und wer sie führt

1. Hausarzt

Führt oft die Masterliste aller verordneten Medikamente.

2. Apotheke

Überwacht Interaktionen, kontrolliert Doppeleinnahmen und führt Medikationschecks durch.

3. Spitäler

Erstellen Listen bei Aufnahme und Entlassung (Austrittsbericht).

4. Patientinnen und Patienten

Sind verantwortlich, eine Liste korrekt zu führen oder zu aktualisieren.

5. Elektronische Patientendossiers (EPD)

Können Medikamentenlisten digital speichern, abrufen und aktualisieren.

Wie Versicherungen die Medikamentenliste nutzen

Versicherungen benötigen vollständige Medikamentenlisten bei:

• Kostengutsprachen
• Rückerstattungen (Remboursements)
• Abklärungen zu Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit
• Abgrenzung Pflichtmedikamente vs. Nichtpflichtmedikamente
• Zusatzversicherungsleistungen

Beispiel:
Ein Medikament nicht auf der Spezialitätenliste (SL) – also kein Pflichtmedikament – wird nur via Zusatzversicherung vergütet. Die Medikamentenliste hilft, solche Fälle zuzuordnen.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Senior mit 8 Medikamenten – Notfall ohne Liste

Ein 78-jähriger Mann nimmt täglich acht Medikamente ein, darunter Blutverdünner, Betablocker und Schmerzmittel. Er stürzt, verliert kurz das Bewusstsein und wird ins Spital eingeliefert.
Da er keine Medikamentenliste mitführt, müssen die Ärzte aufwendige Abklärungen machen.

Kostenfolge ohne Liste:

• Labor für Medikamentenspiegel: 300 CHF
• Vermeidbare CT-Abklärung: 450 CHF
• Verzögerung der Behandlung: 40 Minuten

Mit einer vollständigen Liste hätten Ärzt*innen sofort gesehen:

• Blutverdünner-Einnahme → erhöhtes Blutungsrisiko
• Schmerzmittelkombination → Risiko für akute Verwirrtheit
• Betablocker → langsame Herzfrequenz normal

Ohne Liste hätte eine falsche Medikation schwerwiegende Folgen haben können. Dieses Beispiel zeigt die lebenswichtige Bedeutung einer einfachen Übersicht.

Beispiel 2: Junge Frau mit Allergien – korrekte Therapie durch Liste

Eine 34-jährige Patientin leidet an Medikamentenallergien (z. B. Penicillin). Sie hat stets eine Medikamentenliste mit Allergiehinweisen dabei.
Bei einer starken Bronchitis wird sie vom Notfallarzt behandelt.
Die Liste verhindert, dass ein Standard-Antibiotikum (Penicillin-Derivat, 25 CHF) verabreicht wird. Stattdessen erhält sie ein Alternativpräparat (35 CHF).

Berechnung des Risikos:
Falsches Antibiotikum hätte allergischen Schock ausgelöst
→ Intensivaufnahme (2’500 CHF pro Tag)
→ Notfallteam-Einsatz

Durch die korrekte Liste entstehen nur 35 CHF Medikamentenkosten, aber es wird ein potenziell lebensbedrohlicher Zwischenfall verhindert.

Bedeutung für chronisch Kranke und Polypharmazie

Chronische Erkrankungen

Patienten mit:

• Diabetes
• Herzkrankheiten
• COPD
• Niereninsuffizienz
• Depressionen

nehmen oft mehrere Medikamente über Jahre hinweg. Die Liste hilft Arzt und Apotheke, jede Anpassung zu koordinieren.

Polypharmazie

Mehr als fünf Medikamente täglich → hohes Risiko für Interaktionen.

Studien zeigen

Eine korrekt geführte Medikamentenliste:

• reduziert Nebenwirkungen um bis zu 40 %
• ermöglicht rasche Therapieanpassungen
• verhindert ungewollte Doppelverschreibungen
• verbessert Lebensqualität

Zusätzlicher Abschnitt 1: Elektronische Medikamentenlisten

Digitale Listen bieten mehrere Vorteile:

• automatische Aktualisierung durch Arzt/Apotheke
• jederzeit über Smartphone abrufbar
• integrierbar ins elektronische Patientendossier (EPD)
• weniger Fehlerquellen

Nachteile:

• Datenzugriff hängt von Systemen ab
• ältere Menschen bevorzugen Papier

Zusätzlicher Abschnitt 2: Medikamentenliste als Bestandteil des Notfallpasses

Die Medikamentenliste ist ein zentraler Teil vieler Notfallpässe.
Sie hilft Rettungsdiensten zu entscheiden:

• welche Medikamente gefährlich sind
• welche lebenswichtig sind
• welche Kombinationen zu Komplikationen führen

Ein Notfallpass ohne Medikamentenübersicht ist nur halb so wertvoll.

Häufige Missverständnisse

• „Ich brauche keine Liste, ich merke mir alles.“ → Falsch, gerade im Notfall unmöglich.

• „Ärzte wissen alles über meine Medikamente.“ → Nur bei vollständigen Unterlagen.

• „Vitamine gehören nicht auf die Liste.“ → Auch sie können interagieren.

• „Ich nehme nur gelegentlich etwas.“ → Auch relevant für Akutversorgung.

• „Digitale Listen sind unsicher.“ → Moderne Systeme haben hohe Standards.

Fazit

Die Medikamentenliste ist eines der wichtigsten Werkzeuge zur Erhöhung der Patientensicherheit in der Schweiz. Sie schützt vor gefährlichen Wechselwirkungen, beschleunigt Behandlungen, reduziert Kosten und erleichtert die Kommunikation zwischen Ärzten, Apotheken und Versicherungen. Besonders bei Polypharmazie, chronischen Erkrankungen und Notfällen ist sie unverzichtbar. Jede Person, die regelmässig Medikamente einnimmt, sollte eine aktuelle, vollständige und leicht zugängliche Liste führen – ob digital oder im Portemonnaie.

Quellenverzeichnis

• [1] Schweizer Medikamentenreport, 2023
• [2] Spitalstatistik Schweiz – Medikationsfehler, 2022
• [3] Patientensicherheitsstudie Schweiz, 2021
• [4] Apothekerverband Schweiz – Medikationscheck-Bericht, 2022
• [5] Notfallmedizin Schweiz – Fehleranalyse, 2023