Leistungskatalog: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Liste aller KVG-pflichtigen medizinischen Leistungen

• basiert auf WZW-Kriterien: wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich

• umfasst ambulante, stationäre und spezielle Leistungen

• regelt Medikamente, Hilfsmittel, Analysen, Therapien

• Grundlage für Rückerstattung durch Krankenkassen

• wird regelmässig vom BAG aktualisiert

• schützt Versicherte vor unnötigen Kosten

Zahlen & Fakten

1. Der Schweizer Leistungskatalog umfasst über 2’000 medizinische Einzelregelungen [1].
2. Rund 90 % aller Kassenstreitigkeiten betreffen Fragen zum Leistungskatalog [2].
3. Jährlich werden 250–300 Leistungen neu überprüft, nur etwa 30 % davon werden aufgenommen [3].
4. Die Kosten für KVG-pflichtige Leistungen betragen jährlich über 36 Milliarden CHF [4].
5. Rund 70 % der ambulanten Leistungen basieren auf dem TARMED-Leistungskatalog [5].
6. Über 1’000 Laboranalysen sind in der Analysenliste (Teil des Leistungskatalogs) enthalten [1].
7. Änderungen im Leistungskatalog sparen oder kosten jährlich bis zu 150 Millionen CHF [3].

Wie der Leistungskatalog aufgebaut ist

Der Leistungskatalog besteht aus mehreren Unterlisten und Verordnungen, die zusammen definieren, was bezahlt wird:

1. Ärztliche Leistungen (TARMED)

Standardisierter Katalog für ambulante Arztleistungen.

2. Stationäre Leistungen (SwissDRG)

Fallpauschalen für Spitalaufenthalte.

3. Spezialitätenliste (SL)

Liste aller Medikamente, die erstattungsfähig sind.

4. Analysenliste (AL)

Laboruntersuchungen, die vergütet werden.

5. MiGeL (Mittel- und Gegenstände-Liste)

Hilfsmittel wie Inkontinenzmaterial, Diabeteszubehör, Orthesen.

6. Psychotherapie-Katalog

Regelt psychologische und psychiatrische Leistungen.

7. Mutterschaftsleistungen

Umfassende Leistungen vor, während und nach der Geburt – ohne Franchise/Selbstbehalt.

Jede dieser Listen hat eigene Regeln, Limiten, Kriterien und Preise.

Warum der Leistungskatalog entscheidend für die Kostenübernahme ist

Eine Leistung wird nur vergütet, wenn sie auf einer Liste des Leistungskatalogs steht und die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind.

WZW-Prinzip

Nur Leistungen, die:

• wirksam (Evidenz)
• zweckmässig (medizinisch sinnvoll)
• wirtschaftlich (Kosten-Nutzen-Verhältnis)

sind, werden aufgenommen.

Beispiel Wirtschaftlichkeitsberechnung

Medikament A: 200 CHF pro Packung
Medikament B: 60 CHF pro Packung
→ Gleiche Wirkung: B wird gelistet, A nur bei Spezialindikation.

So verhindert der Leistungskatalog unnötige Kostensteigerungen.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: MRI – nur bei klarer Indikation vergütet

Ein 47-jähriger Mann leidet seit drei Wochen unter Rückenschmerzen. Sein Arzt empfiehlt ein MRI, doch die Krankenkasse lehnt ab.

Grund:
Gemäss Leistungskatalog wird ein MRI nur vergütet, wenn:

• konventionelle Behandlung (Physio, Medikamente) ohne Erfolg war
  oder
• Warnsignale (z. B. Lähmung) vorliegen.

Kosten MRI: 850 CHF
Da Franchise noch nicht erreicht → 850 CHF hätte er ohnehin selbst zahlen müssen.
Nach vier Wochen, trotz Physio erfolglos, wird ein MRI indiziert und nun von der Kasse gedeckt.

Neue Berechnung:
850 – 200 CHF Franchise-Rest = 650 CHF
→ Selbstbehalt 10 % = 65 CHF
→ Rückerstattung 585 CHF

Dieses Beispiel zeigt, wie der Leistungskatalog medizinische Kriterien vorgibt und Kosten steuert.

Beispiel 2: Medikament nicht auf Spezialitätenliste – keine Vergütung

Eine Frau mit chronischer Migräne möchte ein neues, teures Medikament ausprobieren.
Preis: 480 CHF pro Monat

Das Medikament ist nicht auf der Spezialitätenliste (SL), weil Wirksamkeit unzureichend nachgewiesen wurde.

Folge:

• KVG zahlt 0 CHF
• Zusatzversicherung (VVG) übernimmt evtl. 20–50 %
  Beispiel: 480 × 0.5 = 240 CHF Vergütung
  → Eigenkosten: 240 CHF

Die Patientin entscheidet sich nach Beratung für ein gelistetes Medikament:
Kosten: 85 CHF pro Monat
→ KVG übernimmt (nach Franchise) 90 %
Eigenkosten: 8.50 CHF

Dieses Beispiel zeigt, wie der Leistungskatalog kosteneffiziente Therapieentscheidungen beeinflusst.

Wie Leistungen in den Leistungskatalog aufgenommen oder gestrichen werden

Der Aufnahmeprozess erfolgt durch:

1. Antrag (Hersteller, Fachgesellschaft)
2. medizinische Prüfung durch Bundesamt für Gesundheit (BAG)
3. Wirtschaftlichkeitsanalyse
4. internationale Vergleichsstudien
5. politische und wissenschaftliche Konsultation
6. Entscheid:

• aufnehmen
• aufnehmen mit Einschränkungen
• ablehnen

Typische Streichungsgründe:

• mangelnde Wirksamkeit
• überhöhte Kosten
• neue evidenzbasierte Alternativen
• Sicherheitsprobleme

Bedeutung des Leistungskatalogs für Versicherte

Der Leistungskatalog garantiert:

1. Schutz vor überhöhten Rechnungen

Versicherte wissen genau, welche Leistungen gedeckt sind.

2. Einheitliche Grundversorgung

Alle erhalten dieselben medizinisch notwendigen Leistungen.

3. Qualitätssicherung

Unwirksame Behandlungen werden nicht bezahlt.

4. Transparenz

Leistungen sind öffentlich zugänglich und einsehbar.

5. Kostenkontrolle

Der Katalog verhindert Prämienexplosionen.

6. Planbarkeit

Versicherte können Kosten und Behandlungswege besser abschätzen.

Zusätzlicher Abschnitt 1: Leistungskatalog und Zusatzversicherungen

Zusatzversicherungen nach VVG zahlen Leistungen, die nicht im Leistungskatalog stehen, wie:

• alternative Medizin (z. B. Osteopathie)
• bessere Spitalunterbringung
• Brillen, Kontaktlinsen
• Nichtpflichtmedikamente
• Auslandbehandlungen

Beispiel:
Brille 600 CHF
Zusatzversicherung deckt 300 CHF
→ Eigenkosten: 300 CHF
Ohne Zusatzversicherung: 600 CHF

Zusätzlicher Abschnitt 2: Häufige Konflikte zwischen Patient und Krankenkasse

1. Streit wegen medizinischer Notwendigkeit

Kasse fordert zusätzliche Begründungen.

2. Leistungen ausserhalb des Katalogs

Patienten glauben, eine Leistung sei gedeckt – ist sie aber nicht.

3. Abgrenzung KVG/VVG

z. B. Psychotherapie ohne ärztliche Anordnung.

4. regionale Tarifkonflikte

SwissDRG oder TARMED unterschiedlich interpretiert.

In solchen Fällen hilft oft die Ombudsstelle, die neutral vermittelt.

Häufige Missverständnisse

• „Wenn der Arzt es verordnet, muss es bezahlt werden.“ → Falsch.

• „Neue Medikamente sind automatisch im Katalog.“ → Nein, oft erst nach Jahren.

• „Alles im Spital wird gedeckt.“ → Nur KVG-pflichtige Leistungen.

• „Leistungskatalog = Zusatzversicherung.“ → Grundversicherung/ Zusatz klar getrennt.

• „Laboranalysen sind immer gedeckt.“ → Nur laut Analysenliste.

Fazit

Der Leistungskatalog ist das Fundament der Schweizer Grundversicherung. Er definiert, welche medizinischen Leistungen bezahlt werden, schützt Versicherte vor unnötigen Kosten und stellt sicher, dass Behandlungen wissenschaftlich fundiert sind. Gleichzeitig verhindert er eine unkontrollierte Kostensteigerung im Gesundheitswesen. Wer den Leistungskatalog kennt, kann Behandlungswege besser verstehen, Konflikte vermeiden und medizinische Entscheidungen informierter treffen.

Quellenverzeichnis

• [1] BAG – Leistungskatalog KVG, 2023
• [2] Ombudsstelle Krankenversicherung – Fallstatistik, 2022
• [3] Evaluationsbericht Schweizer Gesundheitssystem, 2021
• [4] Gesundheitskostenbericht Schweiz, 2023
• [5] TARMED-Statistik Schweiz, 2022