Lebensgemeinschaft: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Zusammenleben ohne Ehe oder eingetragene Partnerschaft

• gemeinsame Haushalts- und Lebensführung

• rechtlich weniger geschützt als die Ehe

• Bedeutung für AHV/IV/EL und Versicherungen

• wichtig für Erbrecht und Vorsorgeplanung

• Kinderbetreuung und Unterhalt müssen klar geregelt werden

• Vertragliche Absicherungen sind sinnvoll

Zahlen & Fakten

1. Rund 25 % aller Paare in der Schweiz leben in einer Lebensgemeinschaft (Konkubinat) [1].
2. Bei Paaren unter 35 Jahren beträgt der Anteil sogar über 50 % [2].
3. Etwa 40 % der Kinder werden in nicht verheirateten Partnerschaften geboren [2].
4. Lebensgemeinschaften haben keinen automatischen Erbanspruch, was zu finanziellen Lücken führen kann [3].
5. Mehr als 60 % der Lebensgemeinschaften** regeln finanzielle Fragen vertraglich nicht [4].
6. Erwerbstätige Paare in Lebensgemeinschaften zahlen häufig weniger Steuern als verheiratete Paare [3].
7. Bei Trennungen sind 90 % der Streitfälle finanzieller Natur, oft wegen fehlender vertraglicher Regelungen [4].

Rechtliche Einordnung der Lebensgemeinschaft in der Schweiz

Die Lebensgemeinschaft – auch Konkubinat genannt – ist gesetzlich kaum geregelt. Sie entsteht formlos, ohne Anmeldung oder Vertrag. Dennoch beeinflusst sie zahlreiche Lebensbereiche:

1. Zivilrecht

Kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nach Trennung
Kein gesetzlicher Erbanspruch

2. Sozialversicherungen

• AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung): Witwen-/Witwerrenten gelten nur für verheiratete Paare.
• IV (Invalidenversicherung): Leistungen richten sich nach individuellen Ansprüchen, nicht nach Partnerschaft.
• EO (Erwerbsersatzordnung): Mutterschaftsentschädigung richtet sich nach der Mutter, nicht der Lebensform.

3. Steuerrecht

Lebensgemeinschaften werden separat besteuert, was oft günstiger ist.

4. Krankenversicherung

Jede Person hat eine eigene KVG-Grundversicherung.
Partner haben keine gegenseitigen Versicherungsansprüche, ausser vertraglich geregelt.

Finanzielle Auswirkungen der Lebensgemeinschaft – Berechnung und Beispiele

Lebensgemeinschaften haben steuerliche Vorteile, aber auch Lücken bei Tod oder Trennung.

Steuereffekt Beispiel

Partner A: 70’000 CHF Einkommen
Partner B: 45’000 CHF Einkommen

Bei getrennten Steuern (Lebensgemeinschaft):
A zahlt ca. 8’500 CHF
B zahlt ca. 4’200 CHF
→ Total: 12’700 CHF

Bei Ehe (Heiratsstrafe möglich):
Gesamteinkommen 115’000 CHF
Steuern ca.: 15’500 CHF

Differenz:
15’500 – 12’700 = 2’800 CHF Mehrbelastung bei Ehe.

Lebensgemeinschaften sind also steuerlich oft günstiger.

Beispiele aus dem Alltag

Beispiel 1: Lebensgemeinschaft mit gemeinsamem Haushalt

Ein Paar lebt seit 5 Jahren zusammen, er verdient 6’000 CHF, sie 4’000 CHF.
Sie teilen Miete, Nebenkosten und Versicherungsprämien.

Gesamtkosten:

• Miete 2’200 CHF
• Krankenkassenbeiträge: 700 + 900 = 1’600 CHF
• Lebensmittel 800 CHF
  Gesamt: 4’600 CHF

Sie teilen 60/40 entsprechend ihres Einkommens:

• Er: 2’760 CHF
• Sie: 1’840 CHF

Bei einer Trennung besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Unterhaltszahlungen, obwohl sie jahrelang den Haushalt geführt hat.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig vertragliche Regelungen für finanzielle Fairness sind – z. B. ein Konkubinatsvertrag.

Beispiel 2: Lebensgemeinschaft mit Kind – Auswirkungen auf Versicherungen

Ein Paar lebt unverheiratet zusammen und bekommt ein Kind.
Die Mutter arbeitet 50 % (3’200 CHF/Monat), der Vater 100 % (7’000 CHF/Monat).

AHV/IV/EO:

• Mutterschaftsentschädigung:
  3’200 × 0.8 = 2’560 CHF
  2’560 / 30 = 85.33 CHF pro Tag
  → 85.33 × 98 Tage = 8’362 CHF

Bei Tod des Vaters:

• Die Mutter erhält keine Witwenrente, da sie nicht verheiratet ist.
• Das Kind erhält jedoch eine Halbwaisenrente (AHV).

Das Paar hat keine erbrechtliche Absicherung:
→ Der Vater müsste ein Testament oder einen Erbvertrag erstellen, um die Partnerin zu begünstigen.
Dieses Beispiel zeigt die deutlichen Unterschiede zwischen Ehe und Lebensgemeinschaft im Versicherungsrecht.

Welche Versicherungen für Lebensgemeinschaften besonders wichtig sind

1. Unfallversicherung (UVG)

Jede erwerbstätige Person ist beruflich und nichtberuflich versichert.
Partner haben keine gegenseitigen Ansprüche.

2. Krankenversicherung (KVG)

Keine gemeinsamen Policen
Keine Familienrabatte
Jede Person hat eigene Franchise und Selbstbehalt.

3. Zusatzversicherungen (VVG)

Sinnvoll für gemeinsame Gesundheitsleistungen oder Spitalzusatzversicherungen.
Oft können Partner in derselben Police günstiger abschliessen.

4. Lebensversicherung

Sehr wichtig, weil unverheiratete Partner keinen gesetzlichen Erbanspruch haben.

Beispiel:
Lebensversicherungssumme: 200’000 CHF
Jahresprämie: 380 CHF
Partner wird als Begünstigte eingetragen.

5. Hausrat- und Haftpflichtversicherung

Lebensgemeinschaften können eine gemeinsame Police nutzen, was Kosten spart.

Beispiel Einsparung:
Einzelpolicen: 240 + 300 CHF
Gemeinsame Police: 420 CHF
→ Ersparnis: 120 CHF/Jahr

Vertragliche Absicherung – Konkubinatsvertrag

Da die Lebensgemeinschaft kaum gesetzlich geschützt ist, empfiehlt sich ein Vertrag.
Regelt:

• finanzielle Beteiligungen am Haushalt
• Eigentumsverhältnisse bei Möbeln, Sparguthaben, Wohneigentum
• Unterhalt bei Trennung
• Kinderbetreuung
• Einlagen in Vorsorge und Pensionskassen

Ein Konkubinatsvertrag kostet zwischen 300–1’200 CHF, je nach Umfang – oft eine sinnvolle Investition.

Vorsorge und Erbrecht in der Lebensgemeinschaft

1. AHV

Keine Witwen- oder Witwerrenten für Partner.
Nur Kinder haben Anspruch auf Halbwaisenrente.

2. Pensionskasse (BVG)

Viele Kassen zahlen Lebenspartnern Leistungen aus, wenn gemeldet.

3. Erbrecht

Ohne Testament:
Partner erbt nichts.

Beispiel:
Nachlass: 200’000 CHF
Ohne Testament erben Kinder und Eltern → Partner: 0 CHF

Mit Testament kann bis max. des frei verfügbaren Teils vererbt werden.

Psychologische und soziale Bedeutung der Lebensgemeinschaft

Lebensgemeinschaften bieten:

• grosse Flexibilität
• moderne Rollenverteilung
• weniger rechtliche Verpflichtungen
• höhere Individualität

Jedoch entsteht oft ein unsichtbares Risiko:
Ohne Ehe fehlt rechtlicher Schutz in Krankheit, Unfall, Tod und Trennungssituationen.

Gerade bei:

• gemeinsamer Kindererziehung
• finanzieller Abhängigkeit
• geteiltem Wohneigentum

ist dies besonders relevant.

Häufige Missverständnisse

• Lebensgemeinschaft ist fast wie Ehe.“ → Nur emotional, nicht rechtlich.

• „Wir wohnen zusammen, also sind wir abgesichert.“ → Falsch.

• „Partner bekommt automatisch Geld aus der AHV.“ → Nein.

• „Wir brauchen keinen Vertrag.“ → Oft erst bei Trennung erkannt.

• „Lebensgemeinschaft ist steuerlich immer besser.“ → Nicht immer; kantonal verschieden.

Fazit

Die Lebensgemeinschaft ist eine moderne, flexible Form des Zusammenlebens, jedoch mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Unterschieden gegenüber der Ehe. Gerade in Bezug auf Versicherungen, Vorsorge, Erbrecht und Kinder ist Eigeninitiative nötig, da der Staat kaum Schutz bietet. Wer seine Lebensgemeinschaft vertraglich absichert, Versicherungen richtig einsetzt und Vorsorge lückenlos regelt, schafft Stabilität und Sicherheit. Lebensgemeinschaften funktionieren am besten, wenn sie bewusst geplant werden – nicht nur emotional, sondern auch rechtlich und finanziell.

Quellenverzeichnis

• [1] Bundesamt für Statistik – Haushaltsformen Schweiz, 2023
• [2] Familienbericht Schweiz, 2022
• [3] Schweizer Erbrechtsanalyse, 2021
• [4] Ombudsstelle Sozialversicherungen – Fallstatistik, 2022