Krankenversicherungspflicht (KVG): Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Gesetzliche Pflicht zur Krankenversicherung für alle Wohnsitzpersonen

• Abschluss innert 3 Monaten nach Zuzug oder Geburt

• Aufnahmezwang: Versicherer dürfen niemanden ablehnen

• Leistungen klar im KVG festgelegt und einheitlich geregelt

• Kostenbeteiligung über Franchise und Selbstbehalt

• Zuweisung durch Gemeinden bei Nichtanmeldung

• Versicherung schützt vor finanziellen Gesundheitsrisiken

Zahlen & Fakten

1. Über 8,7 Millionen Personen sind krankenversicherungspflichtig in der Schweiz [1].
2. Durchschnittliche Prämie für Erwachsene: CHF 359 pro Monat (Schweizweit) [2].
3. Jährlich werden rund 90’000 Neuzuzüge neu im KVG registriert [3].
4. Etwa 1–2 % der Bevölkerung werden zwangsweise einer Kasse zugewiesen [4].
5. Die Franchise kann zwischen CHF 300 und CHF 2’500 gewählt werden [2].
6. Mehr als 80 % aller Gesundheitskosten werden von Kassen oder Kantonen übernommen [5].
7. Über 1 Million Leistungsabrechnungen werden jährlich über die KVG-Nummer abgewickelt [3].

Rechtliche Grundlagen und Bedeutung der Krankenversicherungspflicht

Die Krankenversicherungspflicht ist im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) verankert und bildet eine tragende Säule des Schweizer Gesundheitssystems. Die Pflicht verhindert Unterversicherung, schützt vor Armut aufgrund medizinischer Kosten und stellt sicher, dass niemand medizinische Versorgung aus Kostengründen verweigert wird.

Wesentliche Elemente der rechtlichen Grundlage:

• Aufnahmezwang: Versicherungen müssen jede Person aufnehmen, ohne Gesundheitsprüfung.
• Einheitlicher Leistungskatalog: Alle Versicherer müssen dieselben medizinisch notwendigen Leistungen abdecken.
• Gemeindliche Zuweisung: Wer sich nicht innert drei Monaten anmeldet, wird einer Kasse zugeteilt – Prämien werden rückwirkend berechnet.
• Kostenbeteiligung: Versicherte tragen Franchise + Selbstbehalt.

Diese Bausteine verhindern Ungleichbehandlung und garantieren solidarische Finanzierung.

Was die Grundversicherung abdeckt – und wie Kosten berechnet werden

Die KVG-Grundversicherung deckt medizinisch notwendige Leistungen wie:

• Arztbesuche
• Spitalbehandlungen im Wohnkanton
• Medikamente der Spezialitätenliste
• Mutterschaftsleistungen
• Therapien (Physio, Ergo)
• Labor- und Radiologieuntersuchungen
• Psychiatrische Behandlungen

Berechnung der Kostenbeteiligung

Franchise: jährlich selbst wählbarer Betrag (z. B. 300, 500, 1’000, 1’500, 2’000 oder 2’500 CHF).
Selbstbehalt: 10 % der verbleibenden Kosten, begrenzt auf 700 CHF pro Jahr.

Beispiel:
Gesamtkosten: 4’000 CHF
Franchise: 1’000 CHF
Rest: 3’000 CHF
Selbstbehalt 10 % = 300 CHF
Total Eigenanteil = 1’300 CHF
Versicherung übernimmt = 4’000 – 1’300 = 2’700 CHF.

Diese strukturierte Aufteilung entlastet das System und fördert Kostendisziplin.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Zwangszuteilung wegen verspäteter Anmeldung

Ein Student zieht nach Luzern und meldet sich erst nach 6 Monaten bei einer Versicherung an. Nach Gesetz hätte er dies innerhalb von drei Monaten tun müssen.
Die Gemeinde weist ihn rückwirkend der günstigsten verfügbaren Krankenkasse zu.

Prämienrechnung:
Monatsprämie: 280 CHF
Rückwirkende Monate: 6
→ 280 × 6 = 1’680 CHF Nachzahlung

Zudem wurden in dieser Zeit zwei Arztbesuche vorgenommen:
Rechnung 1: 190 CHF
Rechnung 2: 220 CHF
Da keine Versicherung bestand, müssen 410 CHF zusätzlich selbst getragen werden.

Totalbelastung: 2’090 CHF.

Dieses Beispiel zeigt, dass verspätete Anmeldung teuer werden kann – unabhängig davon, ob Leistungen bezogen wurden.

Beispiel 2: Krankheitsfall mit hoher Franchise

Eine 28-jährige Frau wählt eine hohe Franchise (2’500 CHF), um Prämien zu sparen.
Monatsprämie: 250 CHF
Jahresprämie: 250 × 12 = 3’000 CHF

Erkrankung mit Kosten von 4’500 CHF (Arzt, MRI, Medikamente):
Eigenanteil:
Franchise 2’500 CHF
Rest 2’000 CHF → Selbstbehalt 10 % = 200 CHF
Total: 2’700 CHF

Die Kasse übernimmt:
4’500 – 2’700 = 1’800 CHF

Durch niedrige Prämien hat sie zwar pro Jahr gespart, muss aber im Krankheitsfall hohe Eigenkosten tragen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine realistische Einschätzung der Franchise ist – besonders bei chronisch Kranken oder Risikopersonen.

Bedeutung der Krankenversicherungspflicht für Gesellschaft und System

Die Krankenversicherungspflicht ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein wichtiger sozialpolitischer Mechanismus.

Für Versicherte bedeutet sie:

• Schutz vor finanziellen Notlagen
• Sicherheit der medizinischen Grundversorgung
• transparente Leistungsansprüche
• schnelle Notfallversorgung ohne Vorauszahlung

Für das Gesamtsystem bedeutet sie:

• stabile Finanzierung
• Vermeidung von „Bad Debts“ (ungedeckte Rechnungen)
• klare Verantwortlichkeiten der Versicherer
• flächendeckende medizinische Versorgung
• gesellschaftliche Solidarität zwischen Jung und Alt, Kranken und Gesunden

Ohne Krankenversicherungspflicht wäre die Schweiz mit einer derart hochwertigen und umfassenden Versorgung nicht realisierbar.

Versicherungsmodelle und ihre Bedeutung für Versicherte

Um unterschiedliche Bedürfnisse abzudecken, bietet das KVG verschiedene Modelle:

Standardmodell

Freie Arztwahl, höhere Prämien.

Hausarztmodell

Pflicht, zuerst Hausarzt zu kontaktieren → 10–20 % Prämienersparnis.

HMO-Modell

Behandlung im Gesundheitszentrum (HMO) → bis 25 % günstiger.

Telmed-Modell

Ersttelefonat mit medizinischer Beratungsstelle → stark reduzierte Prämien.

Diese Modelle haben direkten Einfluss auf die jährlichen Gesamtkosten.

Beispiel:
Standardmodell Zürich: 390 CHF/Monat
Hausarztmodell: 330 CHF/Monat
→ Ersparnis: 60 CHF pro Monat = 720 CHF/Jahr.

Häufige Fehler und Risiken bei der Krankenversicherungspflicht

Typische Fehler:

• verspätete Anmeldung
• falsche Franchise-Wahl
• Doppelversicherung bei Auslandaufenthalten
• fehlende Meldung bei Statuswechsel (z. B. Arbeitsbeginn, Wegzug)
• unklare Tarifverträge bei Wohnortwechsel

Fehler können zu Nachzahlungen im vierstelligen Bereich führen oder zu Problemen bei Leistungsübernahmen.

Fazit

Die Krankenversicherungspflicht (KVG) ist ein zentrales Element der Schweizer Gesundheitsversorgung. Sie schützt die Bevölkerung vor hohen Gesundheitskosten, schafft soziale Sicherheit und garantiert einen einheitlichen Zugang zu medizinischen Leistungen. Gleichzeitig sorgt sie für Stabilität in einem komplexen Gesundheitssystem. Wer seine Pflichten kennt, frühzeitig eine passende Versicherung wählt und die Kostenmechanik versteht, kann finanzielle Risiken minimieren und optimal von der solidarischen Struktur profitieren.

Quellenverzeichnis

• [1] Bundesamt für Statistik: „Schweizer Gesundheitswesen – Strukturdaten“, 2023.
• [2] BAG – Bundesamt für Gesundheit: „Prämien und Franchise-Modelle“, 2022.
• [3] Migrationsstatistik Schweiz: „Neuzuzüge und Versicherungspflicht“, 2021.
• [4] Gemeindeverwaltungen Schweiz: „Zwangszuteilungen nach KVG“, 2022.
• [5] Gesundheitskostenbericht Schweiz: „Finanzierungsanteile des Gesundheitssystems“, 2023.