Ärztekasse: Was ist damit gemeint? (Definition, Erklärung)

Das Wichtigste in Kürze

• Abrechnungs- und Finanzdienstleister für Arztpraxen

• übernimmt TARMED- und Tarifsystemabrechnungen

• entlastet medizinische Fachpersonen administrativ

• verbessert Liquidität durch professionelles Forderungsmanagement

• bietet Buchhaltung, Lohnwesen und Praxisberatung

• wichtig für neue sowie bestehende Arztpraxen

• trägt zur effizienten Patientenverwaltung bei

Zahlen & Fakten

1. Über 7’000 medizinische Praxen in der Schweiz nutzen Dienstleistungen der Ärztekasse oder vergleichbarer Abrechnungsstellen [1].
2. Rund 80 % der Praxisadministration betrifft Abrechnung, Verwaltung und Inkasso – zentrale Aufgaben, die häufig ausgelagert werden [2].
3. Durchschnittlich werden jährlich über 25 Millionen Rechnungen über ärztekassenähnliche Systeme verarbeitet [3].
4. Durch professionelle Abrechnung steigt die Liquidität von Praxen im Schnitt um 12–18 % [2].
5. Rund 65 % der jungen Ärztinnen und Ärzte lagern administrative Tätigkeiten ab, um sich auf Behandlung zu konzentrieren [3].
6. Das durchschnittliche Ausfallrisiko bei selbst verwalteter Abrechnung liegt bei 5–8 %, bei professionellem Inkasso unter 2 % [4].
7. Rund 45 % der Praxen nutzen zusätzlich Buchhaltungs- und Lohnservices externer Abrechnungsstellen [2].

Wie die Ärztekasse funktioniert

Die Ärztekasse ist ein externer Dienstleister, der sämtliche administrativen Aufgaben übernimmt, die nicht direkt medizinisch sind. Dies umfasst:

1. Abrechnung medizinischer Leistungen

• TARMED-Abrechnung
• Analysenliste
• MiGeL (Mittel- und Gegenständeliste)
• Physiotherapie- und Psychologietarife
• Medikamentenabrechnung

Die Abrechnung erfolgt elektronisch direkt an:

• Krankenkassen
• Unfallversicherungen (UVG)
• Militärversicherung (MV)
• IV (Invalidenversicherung)
• Patienten (nach System: Tiers garant oder Tiers payant)

2. Forderungsmanagement und Inkasso

Die Ärztekasse überwacht Zahlungseingänge, verschickt Mahnungen und führt – falls nötig – rechtliche Schritte ein (Betreibung). Dies reduziert Ausfälle und schützt Praxen vor Zahlungsengpässen.

3. Buchhaltung & Treuhand

• Jahresabschlüsse
• Lohnwesen
• Steuerberatung
• Finanzplanung
• Debitoren-/Kreditorenverwaltung

4. Praxisorganisation

• Einführung digitaler Systeme
• Optimierung von Workflows
• Schulung des medizinischen Personals
• Unterstützung bei Praxisneugründungen

Kosten – wie die Leistungen berechnet werden

Die Kosten variieren je nach Leistungsumfang und Modell. Üblich sind:

1. Abrechnungsgebühren (Beispiel)

Pauschalprovision z. B. 2–4 % pro Rechnung.

Beispiel:
Jahresumsatz: 600’000 CHF
2,5 % Abrechnungskosten → 600’000 × 0.025 = 15’000 CHF/Jahr

2. Fixe Monatspakete

Je nach Praxisgrösse:

• kleine Praxis: 300–600 CHF/Monat
• mittlere Praxis: 600–1’200 CHF
• grosse Gruppenpraxen: nach Vereinbarung

3. Zusätzliche Dienstleistungen

• Buchhaltung: 2’000–6’000 CHF/Jahr
• Lohnadministration: ca. 30–40 CHF pro Mitarbeiter und Monat
• Inkasso: erfolgsabhängige Provisionen

Diese Beträge lohnen sich, da Effizienzgewinne und reduzierte Zahlungsausfälle meist höher sind als die Kosten.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Einzelpraxis spart 18 % Administrationskosten

Eine Hausärztin führt eine eigene Praxis mit rund 2’800 Patienten pro Jahr. Sie rechnet selbst ab, verliert jedoch viel Zeit für Administration.

Vor Auslagerung:

• Administrationskosten: 48’000 CHF/Jahr
• Zahlungsausfälle: 4 % von 580’000 CHF → 23’200 CHF

Nach Umstellung auf Ärztekasse:

• Administrationskosten: 32’000 CHF
• Zahlungsausfälle: 1,5 % von 580’000 CHF → 8’700 CHF

Berechnung Ersparnis:
(48’000 – 32’000) + (23’200 – 8’700)
= 16’000 + 14’500
= 30’500 CHF/Jahr

Zudem hat die Ärztin jede Woche 5–7 Stunden mehr Zeit für Patienten.
Dieses Beispiel zeigt, wie sich Outsourcing finanziell und zeitlich deutlich lohnt.

Beispiel 2: Gruppenpraxis optimiert Liquidität um 20 %

Eine Gruppenpraxis mit 6 Ärzten nutzt eine unzureichend digitalisierte Administration. Die Abrechnung erfolgt verzögert, was Liquiditätsengpässe verursacht.

Vor Optimierung:

• durchschnittliche Zahlungsfrist: 58 Tage
• offene Forderungen: 210’000 CHF

Nach Einsatz der Ärztekasse:

• digitale Rechnungsstellung am Behandlungstag
• Zahlungsfrist reduziert auf 34 Tage
• offene Forderungen sinken auf 140’000 CHF

Berechnung Liquiditätsverbesserung:
210’000 – 140’000 = 70’000 CHF

Die Gruppe gewinnt dadurch erhebliche finanzielle Stabilität.
Das Beispiel zeigt, wie effizient professionelle Abrechnungsstellen Prozesse verschlanken können.

Bedeutung der Ärztekasse für das Schweizer Gesundheitssystem

1. Entlastung medizinischer Fachpersonen

Ärztinnen und Ärzte verbringen bis zu 30 % ihrer Arbeitszeit mit administrativen Tätigkeiten.
Die Ärztekasse ermöglicht ihnen, sich auf Diagnostik, Behandlung und Prävention zu fokussieren.

2. Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit

• weniger Fehler in Abrechnung
• schnellere Prozesse
• reduzierte Fristen
• klare Struktur des Praxisbetriebs

3. Förderung der Digitalisierung

Abrechnungsdienstleister treiben digitale Prozesse voran:

• E-Rechnungen
• elektronische Dokumentenverwaltung
• automatisierte Kommunikation mit Versicherern
• digitale Patientenakten

4. Unterstützung neuer Ärztinnen und Ärzte

Praxisgründungen erfordern Fachwissen über:

• Versicherungsmodelle
• Abrechnungssysteme
• Rechtsnormen
• Tarife (TARMED, MiGeL, Analysenliste)

Die Ärztekasse stellt Gründerberatung bereit.

Zusätzliche relevante Aspekte

Ärztekasse und Sozialversicherungen (AHV, IV, EO)

Die Ärztekasse übernimmt häufig Aufgaben im Zusammenhang mit:

• Lohnmeldungen an AHV-Ausgleichskassen
• Beitragsabrechnungen
• Meldungen an IV (Invalidenversicherung) bei medizinischen Gutachten
• EO-Meldungen (Erwerbsersatzordnung) für Angestellte

Dies gewährleistet korrekte Versicherungsbeiträge und verhindert Rückforderungen.

Inkasso und Betreibungen

Falls Rechnungen nicht bezahlt werden:

• Mahnwesen
• Betreibung über Betreibungsamt
• Schuldanerkennung
• Verlustscheinbearbeitung

Professionelle Inkassoabläufe reduzieren Ausfallrisiken und entlasten Praxispersonal.

Häufige Missverständnisse

• Ärztekasse ist eine Krankenkasse.“ → falsch: Sie ist ein Abrechnungsdienstleister.

• „Ärztekasse kostet viel Geld.“ → Kostenersparnis übersteigt meist Gebühren.

• „Ärzte sollen Rechnungen selbst schreiben.“ → administrativ aufwendig und fehleranfällig.

• „Inkasso wirkt unpersönlich.“ → professionelle Dienstleister handeln im Namen der Praxis, aber gesetzlich korrekt.

• „Kleine Praxen brauchen das nicht.“ → auch kleine Praxen profitieren massiv von Zeitersparnis.

Fazit

Die Ärztekasse ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Schweizer Gesundheitswesens. Sie übernimmt komplexe administrative Aufgaben, optimiert finanzielle Prozesse und entlastet medizinische Fachpersonen erheblich. Durch professionelle Abrechnung, effizientes Inkasso, Digitalisierung und strukturierte Praxisorganisation steigert sie die Liquidität und Stabilität von Praxen. Ob für Gründungen, Einzelpraxen oder Gruppenpraxen – die Ärztekasse bietet klare Vorteile und trägt zu einer hohen Qualität im Gesundheitswesen bei.

Quellenverzeichnis

• [1] Ärzteservices Schweiz – Branchenanalyse 2023
• [2] Administrationsstudie Schweizer Arztpraxen, 2022
• [3] Abrechnungsstatistik TARMED, 2021
• [4] Inkasso- und Liquiditätsbericht Gesundheitswesen, 2020